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08.03.2021 | Forschung , News

Abgeschlossene Doktorarbeit von Natascha Riehle

NEUE POLYMERE HOCHLEISTUNGSWERKSTOFFE ALS BIOMATERIALIEN FÜR AKKOMODIERBARE INTRAOKULARLINSEN

Natascha Riehle hat ihre Doktorarbeit zum Thema „Synthese und Charakterisierung von silikonbasierten Polyharnstoff-Elastomeren für die Anwendung als akkommodierbare Intraokularlinse“ an der Universität Stuttgart erfolgreich abgeschlossen.

Und wieder gibt es etwas sehr Erfreuliches aus der Fakultät Angewandte Chemie zu vermelden: Am 22. Oktober 2020 hat Natascha Riehle ihre kooperative Promotion an der Universität Stuttgart erfolgreich zu Ende gebracht! Nach einem Bachelorstudium „Chemistry with Marketing“ und einem Master-Studium der „Angewandten Chemie“ an unserer Hochschule hat sie nun ihren akademischen Bildungsweg mit einer Doktorarbeit auf dem Gebiet der Polymersynthese für biomedizinische Anwendungen abgerundet. Corona-bedingt kam dieser wissenschaftliche Erfolg in unserer Berichterstattung bisher leider ein wenig zu kurz, darum wollen wir dies nun nachholen und ihre Arbeiten entsprechend würdigen.

Natascha Riehle hat sich in ihrer Doktorarbeit mit der Entwicklung und Optimierung von Hochleistungspolymeren für biomedizinische Anwendungen beschäftigt. Hauptaugenmerk lag dabei auf der Synthese neuer Polysiloxan-basierter Harnstoff-Elastomere für Anwendungen als akkommodierbare Intraokularlinsen. Es ist ihr gelungen, auf Basis des Verständnisses des Zusammenspiels zwischen chemischer Struktur und technologischen Eigenschaften neue Biomaterialien zu erzeugen, die künftig großes Potential für biomedizinische Anwendungen haben können.

Biomaterialien wie Intraokularlinsen müssen einer Vielzahl von sehr anspruchsvollen Anforderungen gerecht werden. Sie müssen bioverträglich sein und als Implantat eine biologische Funktion dauerhaft erfüllen können. Die dafür erforderlichen technologischen Eigenschaften sind in ihrem Zusammenspiel sehr komplex und müssen in aufwendigen Studien sorgfältig erarbeitet und aufeinander abgestimmt werden. Aufgrund der großen Zahl an technologischen und regulatorischen Hürden schaffen es viele vielversprechende Materialien am Ende nicht in ein konkret realisiertes Produkt.

An Intraokularlinsen werden naturgemäß äußerst hohe Anforderungen an die Transparenz des Materials gestellt, da es sich um ein optisch funktionales Implantat im Auge handelt. Im Falle einer akkomodierbaren Linse, das heißt, einer Linse, die in Abhängigkeit von der Entfernung des betrachteten Gegenstands, über die Augenmuskulatur entsprechend in ihrer Form angepasst und damit sowohl in die Ferne als auch in die Nähe scharf gestellt werden kann, muss das Linsenmaterial außerdem noch ausreichend elastisch und flexibel sein. Gleichzeitig müssen die mechanischen Eigenschaften in Bezug auf Härte und Elastizität so beschaffen sein, dass das Material in einer Unzahl von Belastungszyklen (Scharfstellen – Entspannen) dauerhaft sehr präzise gekrümmt und wieder entspannt werden kann (Formkonstanz, Stabilität der Linse), ohne dass sich dabei die optischen Eigenschaften mit der Zeit verändern. Langzeitstabilität und Bioverträglichkeit ist klarerweise eine Basisanforderung.

Daraus ergeben sich einander widersprechende technologische Zielgrößen, die durch geeignetes molekulares Design der Chemie des Polymers und der Polymermorphologie während der Synthese und der weiteren Verarbeitung eingestellt werden müssen. Hier hat Frau Riehle ein spezielles Syntheseverfahren weiterentwickelt. Mit diesem Verfahren ist es ihr gelungen, definierte Molekulargewichte der Polymere zu erzeugen und so gezielt deren Morphologie in einer Weise zu beeinflussen, dass maximale Transparenz bei idealen mechanischen Eigenschaften erreicht werden können.

Abbildung 2 zeigt einige Strukturelemente, die Natascha Riehle im Zuge ihrer Arbeiten systematisch in den Polymerketten variiert hat. Damit hat sie so genannte Struktur-Eigenschaftsbeziehungen untersucht und die Grundlage geschaffen für das Design neuer Spezialkunststoffe mit besonders hoher Transparenz und idealen mechanischen Eigenschaften zur Herstellung von hochwertigen Augenlinsenimplantaten (Abbildung 2b).

Die Arbeiten von Natascha Riehle sind in mehreren wissenschaftlichen Fachzeitschriften erschienen [2, 3, 4, 5]. Sie zeigen beispielhaft, wie anwendungsorientierte Forschung an der Schnittstelle zwischen biologischen Materialien und polymeren Werkstoffen im Bereich biomedizinischen Wissenschaften in Kooperation mit Universitätsinstituten am Campus der Hochschule Reutlingen realisiert werden kann. Neue Materialien sind der Schlüssel für innovative und zukunftsweisende Produkte. In unseren Bachelor- und Masterprogrammen an der Fakultät Chemie werden die notwendigen chemischen, materialwissenschaftlichen und biologischen Grundlagen gelegt für die Entwicklung und wissensbasierte Herstellung von polymeren Hochleistungsmaterialien. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt dabei auf Nischenpolymeren und Verbundwerkstoffen für biomedizinische Anwendungen. Insbesondere unser aktuelles Masterprogramm „Polymerchemie und Prozessanalytik (PPA)“ (https://www.ac.reutlingen-university.de/de/studium/master-polymerchemie-prozessanalytik/), ist nun noch stärker auf polymerchemische und polymertechnologische Fragestellungen ausgerichtet und bereitet unsere Studierenden optimal auf praxisrelevante Fragestellungen in der Industrie vor. Neben den notwendigen materialwissenschaftlichen Grundlagen lernen unsere Studierenden vor allem in intelligenten Herstellungsprozessen zu denken und Konzepte der Prozessanalytik im Kontext von Industrie 4.0 und Nachhaltigkeit auf industrielle Produktionsprozesse anzuwenden.

Sie wollen mehr zu Elastomeren für Intraokularlinsen wissen? Nähere Details zu den Materialien, Syntheseverfahren und wissenschaftlichen Fragestellungen können Sie auch in diesem Science-Video (Link zum Video: https://doi.org/10.3791/58590) erfahren, das im Journal of Visualized Experiments veröffentlicht wurde.

Als Absolventin der Hochschule Reutlingen promovierte Natascha Riehle nach ihrem Bachelor- und Masterstudium der Angewandten Chemie an unserer Fakultät unter der Anleitung von Prof. Dr. Günter Lorenz (seitens der Hochschule Reutlingen) und Prof. Dr. Günter E.M. Tovar (seitens der Universität Stuttgart) im Rahmen einer kooperativen Promotion am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie (IGVP) der Universität Stuttgart. Die Arbeiten erfolgten im Rahmen des Projekts Soft Lens und wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 12FH032I3 freundlicherweise finanziell gefördert und ermöglicht.

Literatur

[1] Riehle N (2021) Synthese und Charakterisierung von silikonbasierten Polyharnstoff-Elastomeren für die Anwendung als akkommodierbare Intraokularlinse, Dissertation zur Erlangung der Würde eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.).

[2] Riehle N, Athanasopulu K, Kutuzova L, Götz T, Kandelbauer A, Tovar GEM, Lorenz G (2021) Influence of hard segment content and diisocyanate structure on the transparency and mechanical properties of poly(dimethylsiloxane)-based urea elastomers for biomedical applications. Polymers 13 (2) 212, 1-38, https://doi.org/10.3390/polym13020212

[3] Riehle N, Thude S, Kandelbauer A, Tovar GEM, Lorenz G (2019) Synthesis of soft polysiloxane-urea elastomers for intraocular lens application. Journal of Visualized Experiments 145, e58590, https://doi.org/10.3791/58590

[4] Riehle N, Götz T, Kandelbauer A, Tovar GEM, Lorenz G (2018) Data on the synthesis and mechanical characterization of polysiloxane-based urea-elastomers prepared from amino-terminated polydimethylsiloxanes and polydimethyl-methyl-phenyl-siloxane-copolymers. Data in Brief 18, 1784-1794, https://doi.org/10.1016/j.dib.2018.04.083

[5] Riehle N, Thude S, Kutuzova L, Kandelbauer A, Thanos S, Tovar GEM, Lorenz G (2018) Influence of PDMS molecular weight on transparency and mechanical properties of soft polysiloxane-urea-elastomers for intraocular lens application. European Polymer Journal 101, 190-201, https://doi.org/10.1016/j.eurpolymj.2018.02.029