GalerieGalerie starten
22.02.2021 | Forschung , News
Abgeschlossene Doktorarbeit von Björn Brodbeck
Und wieder hat einer unserer Absolventen erfolgreich promoviert! Sein Thema: Maßgeschneiderte Silicapartikel mit komplexen 3D-Strukturen
- Björn Brodbeck hat am 8. Februar 2021 seine Doktorarbeit zum Thema „Maßgeschneiderte Silicapartikel mit komplexer 3D-Struktur“ an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen erfolgreich verteidigt
Björn Brodbeck hat es geschafft! Nach einem Bachelor- und einem Master-Studium der Angewandten Chemie an unserer Hochschule hat er nun seine Doktorarbeit an der Eberhard Karls Universität in Tübingen erfolgreich abgeschlossen und am 8. Februar 2021 mit sehr gutem Erfolg verteidigt. Wieder eine tolle Leistung eines unserer Top-Absolventen! Herzlichen Glückwunsch, Björn!
Björn Brodbeck hat sich in den letzten dreieinhalb Jahren mit der Synthese von Silica-Partikeln mit maßgeschneiderten Eigenschaften für eine ganze Palette an möglichen Anwendungsgebieten beschäftigt. Es ist ihm gelungen, die Textur und das dreidimensionale Erscheinungsbild von Silica-Partikeln durch die geschickte Steuerung der Synthesebedingungen nach seinen Wünschen zu beeinflussen [1].
Dabei hat er zum Beispiel Golfball-artige Partikel hergestellt (siehe Abbildung 2b). Mit ihrem zerknitterten und zerknautschten Äußeren unterscheiden sie sich morphologisch sehr stark von den klassischen „sphärischen“, also ideal kugelförmigen Silica-Partikeln (Abbildung 2a), die nach herkömmlichen Synthesemethoden hergestellt werden. Aufgrund ihrer stark texturierten Oberfläche zeigen solche Golfball-Partikel ein besonders vorteilhaftes Verhalten, wenn sie von einem Medium mit hoher Geschwindigkeit umspült werden [2]: auch bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten baut sich mit solchen Partikeln in einer Röhre kein unvertretbar hoher Gegendruck auf. Diese Eigenschaft macht man sich bei einem besonderen chemischen Trenn- und Analyseverfahren, der so genannten Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie (oder auch HPLC) zunutze: bei dieser Analysenmethode werden Stoffgemische in einem Fluid gelöst und mit hohem Druck über Partikel gefüllte Säulen geleitet und dabei in ihre Bestandteile aufgetrennt. Je höher die verwendeten Drücke sein können, umso schneller kann so ein Stoffgemisch aufgetrennt werden. Golfball-Partikel ermöglichen damit deutlich effizientere Trenn- und Analysenverfahren als herkömmliche Partikel.
Aber damit nicht genug. Björn hat seinen Partikeln auch eine Schlumpfhaube aufgesetzt (Abbildung 2c) und damit hochinteressante Rucksack-Partikel erzeugt. Solche Partikel gehören zur Klasse der so genannten Januspartikel, d.h. zur Klasse der zweigesichtigen Teilchen. Sie weisen an unterschiedlichen räumlichen Bereichen verschiedene chemische und physikalische Eigenschaften auf [3]. Das Besondere daran: in den meisten Fällen bestehen Januspartikel aus chemisch unterschiedlich zusammengesetzten Zonen, sind also meist aus verschiedenen Stoffen bestehende „Verbundwerkstoff“-Partikel, die aufwendig herzustellen sind und eine Reihe von Nachteilen haben. Björns Partikel hingegen bestehen nur aus Siliziumdioxid, also im Wesentlichen aus demselben Material wie Sand oder Glas und kommen gänzlich ohne weitere Komponenten aus. Weil sie gesundheitlich völlig unbedenklich sind, sind sie prinzipiell auch für medizinische Anwendungen geeignet. Hier ist ihm das reproduzierbare morphologische Design der Rucksack-Partikel gelungen.
Zentral bei der Entwicklung und Optimierung der Synthese-Prozesse im Rahmen der Doktorarbeit war die Anwendung von Werkzeugen der Statistischen Versuchsplanung (DoE). DoE ermöglicht das rasche Auffinden von eigenschaftsbestimmenden Parametern, die in der Folge gezielt zum Einstellen gewünschter Zieleigenschaften des Produktes eingesetzt werden können. Mit dieser systematischen Vorgehensweise können auch komplexe Systeme wie die Silica-Partikelchemie mit einer überschaubaren Anzahl an Versuchen effizient, verlässlich und zielorientiert untersucht und optimiert werden. Das methodische Handwerkszeug dafür stellt eine der Kernkompetenzen dar, die in unserem Masterstudienprogramm an der Fakultät Angewandte Chemie vermittelt werden.
Ein weiteres zentrales Element für die erfolgreiche Syntheseoptimierung war die Anwendung eines Reaktionskalorimeters. Mit diesem vollständig computergesteuerten Reaktionsaufbau können chemische Syntheseprozesse präzise gesteuert und mit einer Vielzahl an eingebauten Sensoren in Echtzeit analysiert und kontrolliert werden. Damit gelang es, hochreproduzierbare, skalierbare Verfahrensprotokolle zu entwickeln. Dieses Reaktionskalorimeter ist Teil einer apparativ weithin einmaligen Ausstattung im Bereich Prozessanalytik an unserem Lehr- und Forschungszentrum „Process Analysis & Technology“ (LFZ PAT). Unsere instrumentellen Möglichkeiten stellen ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal dar, die es uns nicht nur ermöglichen, unseren Studierenden eine fundierte Ausbildung in industrierelevanten Fachgebieten während ihres Bachelor- und Masterstudiums zu bieten, sondern uns auch gestatten, ihnen eine hervorragende Infrastruktur für anspruchsvolle Forschungsarbeiten zur Verfügung zu stellen.
Björn Brodbeck promovierte als Absolvent der Hochschule Reutlingen unter der Anleitung von Prof. Dr. Hermann A. Mayer am Institut für Anorganische Chemie der Eberhard Karls Universität Tübingen im Rahmen einer kooperativen Promotion. Betreuer seitens der Hochschule Reutlingen war Prof. Dr. habil. Andreas Kandelbauer. Die Arbeiten erfolgten im Rahmen des Promotionsförderungs-Programms des HAW BW e. V. (Projektträgerin: Hochschule für Technik Stuttgart) im Zeitraum von Juli 2017 bis Juni 2020 und wurden über ein Promotionsstipendium freundlicherweise finanziert durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK).
Literatur
[1] Brodbeck B (2020) Maßgeschneiderte Silicapartikel mit komplexer 3D-Struktur. Dissertation an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen zur Erlangung des Grades eines Doktors der Naturwissenschaften, Esslingen
[2] Meisel D, Maisch J, Maier-Rosenkranz J, Mayer HA (2018) Golfball-Partikel für die HPLC, GIT 2018 03. https://analyticalscience.wiley.com/do/10.1002/gitfach.16458/full/
[3] Maisch J, Jafarli F, Chassé T, Blendiner F, Konrad A, Metzger M, Meixner AJ, Brecht M, Dähne L, Mayer HA (2016) One-pot synthesis of micron partly hollow anisotropic dumbbell shaped silica core-shell particles, Chemical Communications 52 (100) 14392-14395. https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2016/cc/c6cc07372g#!divAbstract
[4] Urdl K, Weiss S, Brodbeck B, Kandelbauer A, Zikulnig-Rusch EM, Müller U, Kern W (2019) Homogeneous, monodispersed furan-melamine particles performing reversible binding and forming networks. European Polymer Journal 116, 158-168. https://doi.org/10.1016/j.eurpolymj.2019.04.006